Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Commuting demands and appraisals: A systematic review and meta-analysis of strain and wellbeing outcomes zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2023 veröffentlicht. Sie stammt von Lauren D. Murphy und drei weiteren Forschenden der Saint Louis University in den USA und der Universität Leipzig.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Viele Beschäftigte pendeln zu ihrer Arbeit. Sie verbringen Zeit damit, von zuhause zu ihrer Arbeitsstelle und wieder zurück zu reisen. Bisherige Forschung fasste das Pendeln als Belastung für Beschäftigte auf. Gerade nach der Corona-Pandemie freuten sich aber auch manche Beschäftigte darauf, wieder in ihr Büro zu fahren. Pendeln könnte auch ein Puffer zwischen Privatleben und Arbeit sein und für mehr Wohlbefinden bei den Beschäftigten sorgen.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden:
- Wie hängt der Zeitumfang des Pendelns mit der Belastung und dem Wohlbefinden der Beschäftigten zusammen?
- Wie hängen die Einstellungen der Beschäftigten zum Pendeln mit ihrer Belastung und ihrem Wohlbefinden zusammen?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien zum Zusammenhang zwischen Pendeln und der Belastung oder dem Wohlbefinden von Beschäftigten. Die Studien mussten hierzu untersuchen, wie viel Zeit die Beschäftigten mit Pendeln verbrachten oder die Einstellung der Beschäftigten zu ihrem Pendeln untersuchen.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 39 Studien aus den Jahren 1976 bis 2021, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Studienergebnisse von über 77000 Beschäftigten. Der Großteil dieser Beschäftigten kam aus Industrieländern. Die Beschäftigten pendelten für einen Arbeitsweg je nach Studie im Durchschnitt zwischen etwa 10 und 80 Minuten. In manchen Studien fanden die Forschenden aber auch keine Angaben zur Zeitdauer des Pendelns.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 39 Studien schauten die Forschenden, wie das Pendeln mit Merkmalen der Beschäftigten zusammenhing.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale wurden untersucht:
-
Zeitumfang des Pendelns – wie viel Zeit der Weg zur Arbeit benötigt
-
Einstellung der Beschäftigten zum Pendeln – zum Beispiel: wie gut oder schlecht die Beschäftigten Pendeln finden
-
Belastung der Beschäftigten – zum Beispiel: berichteter Stress
-
Wohlbefinden der Beschäftigten
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Der Zeitumfang des Pendelns hing mit der Belastung der Beschäftigten zusammen. Je mehr die Beschäftigten pendelten, desto anstrengender war dies für sie. Die Korrelation r betrug hier 0.09. Das ist ein sehr kleiner aber bedeutsamer Zusammenhang.
- Am stärksten war bei der Belastung der Zusammenhang zwischen dem Zeitumfang des Pendelns und dem berichteten Stress. Die Korrelation r betrug hier 0.15. Das ist ein kleiner Zusammenhang.
- Der Zeitumfang des Pendelns hing nicht bedeutsam mit dem Wohlbefinden der Beschäftigten zusammen.
- Die Einstellungen der Beschäftigten zum Pendeln hingen nicht bedeutsam mit ihrer Belastung oder ihrem Wohlbefinden zusammen.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurden Zusammenhänge zwischen dem Zeitumfang des Pendelns und der Belastung der Beschäftigten beobachtet. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es diese Zusammenhänge gibt. Man kann aber nicht sicher sagen, dass das Pendeln diese Zusammenhänge verursacht.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
-
Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
-
Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden keine Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass die Zusammenhänge zwischen Pendeln und Merkmalen der Beschäftigten tatsächlich ähnlich groß sind wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Viele interessante Zusammenhänge konnten die Forschenden nicht in ihrer Metaanalyse untersuchen. Dies betraf zum Beispiel verschiedene Arten des Pendelns oder ob ein bestimmter Umfang des Pendelns besonders gut oder schlecht ist. Dass dies nicht möglich war, lag zum Teil daran, dass die gefundenen Einzelstudien zu unterschiedlich vorgingen oder keine Angaben machten. Zudem gibt es nur sehr wenig Forschung, die sich mit möglichen positiven Seiten des Pendelns und positiven Einstellungen von Beschäftigten zum Pendeln beschäftigt.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden schließen aus der Übersichtsarbeit, dass Unternehmen sich bewusstmachen sollten, welche Auswirkungen das Pendeln für ihre Beschäftigten hat. Ergebnisse von Einzelstudien legen nahe, dass manche Arten des Pendelns – zum Beispiel mit dem Fahrrad – sogar gut für die Beschäftigten sein könnten. Bei öffentlichen Verkehrsmitteln hingegen müssten eher die negativen Auswirkungen abgefedert werden.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
In der Übersichtsarbeit können keine Angaben dazu gefunden werden, wie diese finanziert wurde.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden machen keine Angaben dazu, ob bei ihnen ein Interessenkonflikt vorliegt.