Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Autobiographical memory impairments as a transdiagnostic feature of mental illness: A meta-analytic review of investigations into autobiographical memory specificity and overgenerality among people with psychiatric diagnoses zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2021 veröffentlicht. Sie stammt von Tom J. Barry und zwei weiteren Forschenden von der Universität Hongkong und zwei weiteren Instituten in Australien und Deutschland.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Einzelne Studien haben gezeigt, dass Menschen mit psychischen Problemen weniger spezifische Erinnerungen haben. Das sind Erinnerungen an einmalige, eher kurze Ereignisse wie zum Beispiel eine bestimmte Geburtstagsfeier. Stattdessen erinnern sie sich eher an allgemeine, länger dauernde oder wiederkehrende Ereignisse. Es ist aber noch unklar, ob sich diese Ergebnisse auch über viele Studien hinweg zeigen. Mehr darüber zu verstehen, wie sich Menschen mit psychischen Störungen erinnern, könnte langfristig die Behandlung der Störungen verbessern.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Unterscheiden sich Menschen mit psychischen Störungen und psychisch Gesunde darin, an welche Ereignisse aus ihrem Leben sie sich erinnern?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die das Gedächtnis von Menschen mit und ohne psychische Störungen verglichen. Die Studien mussten die Anzahl der Erinnerungen an spezifische Erlebnisse oder die Anzahl der Erinnerungen an allgemeine Erlebnisse untersuchen.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 74 Studien aus den Jahren 1996 bis 2020. Aus diesen Studien konnten sie insgesamt 141 Ergebnisse zu einer Metaanalyse zusammenfassen. Etwa zwei von drei Teilnehmenden waren Frauen. Die Studienteilnehmenden mit psychischen Störungen litten meist an Depression, Schizophrenie oder einer Traumastörung.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 74 Studien schauten die Forschenden, ob sich Menschen mit psychischen Störungen in ihrer Erinnerung an spezifische und allgemeine Ereignisse aus ihrem Leben von psychisch Gesunden unterschieden.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale wurden untersucht:
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Hatten die Menschen eine psychische Störung?
- Ja, zum Beispiel eine Depression
- Nein, sie hatten keine psychische Störung
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An wie viele Ereignisse aus ihrem Leben konnten sich Menschen bei einem Gedächtnistest erinnern?
- Spezifische Ereignisse, die einmalig und eher kurz waren: zum Beispiel eine bestimmte Geburtstagsfeier
- Allgemeine Ereignisse, die länger dauerten oder häufiger auftraten: zum Beispiel, wie die eigene Schulzeit war
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Menschen mit psychischer Störung konnten sich an weniger spezifische Ereignisse aus ihrem Leben erinnern als psychisch Gesunde. Das Maß für den Unterschied Hedges g betrug 0.86. Das ist ein großer Unterschied.
- Menschen mit einer psychischen Störung erinnerten sich allerdings an mehr allgemeine Ereignisse als psychisch Gesunde. Hedges g betrug 0.71. Das ist ein mittelgroßer Unterschied.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurden Unterschiede in den Erinnerungen an spezifische und allgemeine Erlebnisse aus dem eigenen Leben bei Menschen mit psychischen Störungen und psychisch Gesunden beobachtet. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es diese Unterschiede gibt. Dies bedeutet nicht, dass eine psychische Störung auch die Ursache für die Unterschiede sein muss.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden nur sehr wenige Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass die Unterschiede in den Erinnerungen zwischen Menschen mit psychischen Störungen und psychisch Gesunden tatsächlich ähnlich groß sind wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken, dass die meisten Studien Menschen mit Depression untersuchten. Menschen mit Angststörungen waren zum Beispiel viel weniger vertreten, obwohl diese Störungen auch recht häufig sind. Man weiß deshalb nicht, ob die Ergebnisse für alle psychischen Störungen gelten. Außerdem waren die meisten Studien aus den USA, Großbritannien oder Europa. Dadurch lassen sich die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf andere Weltregionen übertragen.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden schlagen vor, in die Behandlung von Menschen mit psychischen Störungen auch Trainings für Erinnerungen aus dem eigenen Leben einzubeziehen. Gerade aus sehr spezifischen Erinnerungen können Menschen häufig sinnvolle Lehren ziehen.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
In der Übersichtsarbeit können keine Angaben dazu gefunden werden, wie diese finanziert wurde.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden machen keine Angaben dazu, ob bei ihnen ein Interessenkonflikt vorliegt.