Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Digital interventions for common mental disorders in low- and middle-income countries: A systematic review and meta-analysis zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2023 veröffentlicht. Sie stammt von Eirini Karyotaki und acht weiteren Forschenden von der Universität Amsterdam und sieben weiteren Instituten aus Europa und den USA.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Psychische Störungen wie Depressionen und Angststörungen sind weltweit verbreitet. In weniger reichen Ländern fehlen allerdings häufig Angebote zur psychologischen Behandlung dieser Störungen. Digitale Angebote wie Smartphone-Apps zur Behandlung psychischer Störungen über das Internet könnten dabei helfen, diese Lücke zu schließen. In reichen Ländern ist die Wirksamkeit solcher Angebote gut belegt. Wie wirksam digitale Angebote zur Behandlung psychischer Störungen in weniger reichen Ländern tatsächlich sind, ist aber noch unklar.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Wie wirksam sind digitale Angebote zur psychologischen Behandlung von Angststörungen und Depressionen in weniger reichen Ländern?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien zur digitalen Behandlung von Angststörungen und Depressionen. Die Betroffenen mussten ihre psychologische Behandlung über Webplattformen oder Apps erhalten. Das Land, in dem die Studie stattfand, durfte zum Zeitpunkt der Studie durch die Weltbank nicht als „Land mit hohem Einkommen“ eingestuft sein.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 21 Studien aus den Jahren 2013 bis 2023, die sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt waren das Ergebnisse von 5 296 Jugendlichen und Erwachsenen. Die Studien kamen aus 10 verschiedenen Ländern. Dazu zählen Brasilien, Indonesien, der Libanon, Pakistan und Rumänien.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 21 Studien schauten die Forschenden, ob sich die Depressionen oder Angststörungen nach einer digitalen Behandlung verbesserten. Sie verglichen die Schwere der Störungen bei den behandelten Menschen dazu mit der Schwere der Störungen bei Menschen, die keine Behandlung bekamen.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale haben die Forschenden untersucht:
- Art der Behandlung
- digitale psychologische Behandlung: zum Beispiel Nutzung einer Website mit Übungen und Inhalten aus der kognitiven Verhaltenstherapie
- keine Behandlung
- Schwere der Depression oder Angststörung
- direkt nach der Behandlung
- langfristig: mindestens 20 Wochen nach Beginn der Behandlung
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Die digitale Behandlung half für Depressionen deutlich besser als keine Behandlung. Das Maß für den Unterschied Hedges g betrug nach der Behandlung 0.77. Das ist ein mittelgroßer Unterschied in der Schwere der Depression zwischen Menschen, die digital behandelt wurden, und Menschen ohne Behandlung.
- Die digitale Behandlung half für Angststörungen deutlich besser als keine Behandlung. Das Maß für den Unterschied Hedges g betrug nach der Behandlung 1.02. Das ist ein großer Unterschied.
- Auch langfristig verringerte die digitale Behandlung die Schwere der Depressionen und Angststörungen. Das Maß für den Unterschied Hedges g betrug hier 0.31. Das ist ein kleiner Unterschied.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit half eine digitale Behandlung gegen Depressionen und Angststörungen. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, kann man mit Sicherheit sagen, dass die digitale Behandlung diesen Unterschied verursacht hat.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass die Wirksamkeit digitaler Behandlungen tatsächlich kleiner ist als in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Die Qualität der Studien war häufig eher niedrig. Zum Beispiel fehlten manchmal Informationen dazu, wie entschieden wurde, wer eine Behandlung bekam. Außerdem kamen alle Studien aus Ländern mit mittlerem Einkommen. Die Forschenden fanden keine passenden Studien aus armen Ländern mit niedrigem Einkommen. Ob digitale Behandlungen auch in solchen Regionen helfen, kann damit nicht abschließend beantwortet werden.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden schließen aus ihrer Übersichtsarbeit, dass digitale psychologische Behandlungen für Depressionen und Angststörungen auch außerhalb reicher Länder wirken. Sie schlagen deshalb vor, diese vergleichsweise günstige und leicht zugängliche Art der Behandlung breiter einzusetzen.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Übersichtsarbeit wurde durch die NWO finanziert. Das ist eine staatliche Organisation zur Förderung von Forschung der Niederlande.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.