Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Common and separable neural alterations in substance use disorders: A coordinate-based meta-analyses of functional neuroimaging studies in humans zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2020 veröffentlicht. Sie stammt von Benjamin Klugah-Brown und fünf weiteren Forschenden von der Universität Chengdu in China und drei weiteren Forschungsinstituten.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Suchterkrankungen stellen eine große gesellschaftliche Herausforderung dar. In Tierstudien haben Forschende bereits herausgefunden, dass Drogenkonsum zu dauerhaften Veränderungen in der Arbeitsweise des Gehirns führen kann. Es wurde aber bisher kaum untersucht, ob das auch bei Menschen so ist. Ob sich das Gehirn je nach Droge anders verändert, wurde bisher auch kaum untersucht.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Wie wirkt sich eine Sucht auf das Gehirn aus? Unterscheiden sich Veränderungen in der Arbeitsweise des Gehirns, je nachdem ob Menschen süchtig nach Alkohol, Nikotin, Cannabis oder Kokain sind?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Studien mussten mithilfe von funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) untersuchen, ob und wie sich das Gehirn durch seine Sucht verändert. Sie mussten dazu Menschen mit Sucht und gesunde Kontrollpersonen vergleichen. Die untersuchte Droge musste entweder Nikotin, Cannabis, Alkohol oder Kokain sein.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 99 Studien aus den Jahren 1998 bis 2019, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Studienergebnisse von 2 692 Menschen mit Sucht und 2 564 gesunden Kontrollpersonen.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 99 Studien betrachteten die Forschenden zunächst über alle Drogen hinweg, wo die Arbeitsweise des Gehirns von Menschen mit Sucht anders als bei gesunden Kontrollpersonen war. In einem nächsten Schritt verglichen sie dann diese Veränderungen des Gehirns je nach Art der Sucht.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
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Veränderungen in der Arbeitsweise des Gehirns bei Menschen mit Sucht im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen
- Mit fMRT wurden Bildaufnahmen des Gehirns gemacht.
- Während der Bildaufnahme gab es eine Aufgabe, die Bereiche im Gehirn aktivieren sollte, die für das Denken oder die Reaktion auf Belohnungen zuständig sind.
- Die Forschenden untersuchten, wie sich gesunde Kontrollpersonen von Menschen mit Sucht darin unterschieden, ob und welche Bereiche des Gehirns aktiv wurden.
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Angaben zur Sucht
- Art der Sucht - nach welcher Droge waren die Menschen süchtig
- Nikotin
- Alkohol
- Cannabis
- Kokain
- Art der Sucht - nach welcher Droge waren die Menschen süchtig
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Manche Veränderungen in der Arbeitsweise des Gehirns waren für alle Drogenarten gleich. Hiervon betroffen waren vor allem das dorsale Striatum und das Frontalhirn. Diese Bereiche sind dafür zuständig, Belohnungen zu verarbeiten, Gewohnheiten zu bilden und Verhalten zu kontrollieren.
- Es fanden sich auch Besonderheiten in den Veränderungen je nach konsumierter Droge. Zum Beispiel war bei Nikotinkonsum die Arbeitsweise des Gehirns im Frontalhirn weniger stark verändert.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurden Zusammenhänge zwischen dem Vorliegen einer Sucht, der Art der konsumierten Droge und Veränderungen der Arbeitsweise des Gehirns beobachtet. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es diese Zusammenhänge gibt. Man kann aber nicht sicher sagen, dass die Sucht auch die Ursache der Veränderungen im Gehirn ist.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden machen keine Angaben dazu, ob es Hinweise auf solche Verzerrungen gibt. Ob die Zusammenhänge zwischen Sucht und Veränderungen der Arbeitsweise des Gehirns tatsächlich kleiner sind als in dieser Übersichtsarbeit berechnet, bleibt damit unklar.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Die vorliegende Übersichtsarbeit untersuchte nur, wo sich die Arbeitsweise des Gehirns bei Menschen mit Sucht und gesunden Kontrollpersonen unterschied. So wie sie die Daten ausgewertet haben, kann man nicht sagen, ob das Gehirn von Menschen mit Sucht in den gefundenen Bereichen stärker oder weniger stark aktiviert war als bei gesunden Kontrollpersonen.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die vorliegende Übersichtsarbeit bestätigt Ergebnisse früherer Einzelstudien an Menschen und Tieren. Eine Sucht geht tatsächlich mit Veränderungen in der Arbeitsweise des Gehirns einher. Dies war für alle untersuchten Drogenarten der Fall. Forschende sollten das in Zukunft berücksichtigen, zum Beispiel, wenn sie andere Gehirnfunktionen erforschen und Nikotinabhängige in ihrer Studie sind. Die betroffenen Bereiche des Gehirns scheinen außerdem mit Veränderungen im Verhalten einherzugehen. Die gefundenen Veränderungen im Gehirn könnten zum Beispiel den zunehmenden Kontrollverlust bei Menschen mit Sucht erklären.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde durch ein chinesisches Förderprogramm (das National Key Research and Development Program of China) und weitere öffentliche chinesische Mittel (Science, Innovation and Technology Department of the Sichuan Province) finanziert.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.