Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Effectiveness of distance-based suicide interventions: multi-level meta-analysis and systematic review zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2022 veröffentlicht. Sie stammt von Jim Schmeckenbecher und fünf weiteren Forschenden von der Medizinischen Universität Wien und sechs weiteren Instituten.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Jährlich versuchen weltweit etwa 21 Millionen Menschen, sich selbst zu töten. 138 Millionen Menschen denken an Selbsttötung. Nur 20 bis 50% dieser Menschen erhalten professionelle Hilfe. Eine Möglichkeit, um diesen Menschen zu helfen, sind durch Medien vermittelte Programme. Das sind Hilfsprogramme, bei denen die Unterstützung nicht durch einen direkten Kontakt zwischen den Menschen besteht, sondern zum Beispiel durch telefonischen Kontakt oder über eine App.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Helfen durch Medien vermittelte Programme dabei, dass betroffene Personen weniger an Selbsttötung denken und weniger Selbsttötungsverhalten zeigen?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die untersuchten, wie gut durch Medien vermittelte Programme bei Gedanken an Selbsttötung und bei Selbsttötungsverhalten helfen.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 35 Studien aus den Jahren 1999 bis 2020. Aus diesen Studien konnten sie die Ergebnisse von 11 158 Personen, die an einem durch ein Medium vermittelten Programm teilgenommen haben, mit einer Metaanalyse zusammenfassen.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 35 Studien schauten die Forschenden, ob bei den Personen, die an dem Hilfsprogramm teilgenommen haben, die Gedanken an Selbsttötung und Selbsttötungsverhalten weniger wurden als bei Personen, die anders oder überhaupt nicht behandelt wurden.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale wurden untersucht:
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Ob die betroffene Person an einem durch Medien vermittelten Programm teilgenommen hat oder nicht.
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Ob und wie stark die Person an Selbsttötung denkt.
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Ob und wie stark die Person Selbsttötungsverhalten zeigt oder gezeigt hat (zum Beispiel, ob die Person geplant oder versucht hat, sich selbst zu töten).
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
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Durch Medien vermittelte Programme halfen dabei, dass die betroffenen Personen weniger an Selbsttötung denken mussten. Die Effektstärke SMD betrug 0.17. Das ist ein sehr kleiner Unterschied zwischen Personen, die an einem solchen Hilfsprogramm teilnahmen und Personen, die anders oder gar nicht behandelt wurden.
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Hilfsprogramme aus der Ferne halfen auch dabei, dass die Personen weniger Selbsttötungsverhalten zeigten. Die Effektstärke SMD betrug 0.06. Das ist ein sehr kleiner Unterschied zwischen Personen, die an einem solchen Hilfsprogramm teilnahmen und Personen, die anders oder gar nicht behandelt wurden.
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Die Hilfsprogramme aus der Ferne halfen besser dabei, dass Personen weniger an Selbsttötung dachten als dabei, dass sie weniger Selbsttötungsverhalten zeigten. Die Effektstärke für diesen Unterschied betrug 0.12. Das ist ein sehr kleiner Unterschied dazwischen, wie gut die Programme bei Gedanken an Selbsttötung halfen und wie gut sie bei Selbsttötungsverhalten halfen.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurde ein Unterschied zwischen Personen, die an einem durch Medien vermittelten Hilfsprogramm teilnahmen und solchen, die nicht an einem solchen Programm teilnahmen, gefunden. Die Personen hatten dachten weniger an Selbsttötung und zeigten weniger Selbsttötungsverhalten. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, kann man mit hoher Sicherheit sagen, dass die Hilfsprogramme auch die Ursache für die Verbesserung der Gedanken an Selbsttötung und des Selbsttötungsverhaltens sind.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden keine Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass die Wirksamkeit der Hilfsprogramme tatsächlich ähnlich groß ist wie in der Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden haben ein besonders aussagekräftiges Verfahren gewählt, um ihre Ergebnisse zu berechnen. Dafür muss beispielsweise sichergestellt werden, dass genug Studienergebnisse eingeschlossen werden. Das haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht. Bei solchen Übersichtsarbeiten ist es außerdem wichtig, dass die eingeschlossenen Studien sich ähnlich sind. Die Forschenden haben auch dies mit einem speziellen Verfahren berücksichtigt.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Aus den Ergebnissen der Übersichtsarbeit schließen die Forschenden, dass durch Medien vermittelte Programme Gedanken an Selbsttötung und Selbsttötungsverhalten in kleinem Umfang verringern können. Sie halten es deswegen für sinnvoll, solche Programme früh, leicht zugänglich und ergänzend zu anderen Behandlungen anzubieten. So könnten auch Wartezeiten für psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlungen überbrückt und momentane Krisen gestützt werden.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde unter anderem durch ein Programm der Europäischen Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport finanziert.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass folgende Interessenkonflikte vorliegen: Einer der Forschenden hat Gelder von den Pharmazieunternehmen Lundbeck, Servier und Shire für Forschung und Vorträge erhalten.