Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Associations of parenting styles with moral reasoning in children and adolescents: A meta-analysis zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2022 veröffentlicht. Sie stammt von Martin Pinquart und Anton Fischer von der Universität Marburg.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Eltern beeinflussen die Entwicklung ihrer Kinder auf vielfältige Weise. Die Art und Weise wie Eltern ihre Kinder erziehen, wird in verschiedene Erziehungsstile eingeteilt. Es liegt nahe, dass der Erziehungsstil mit der Entwicklung des moralischen Denkens von Kindern zusammenhängt.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Wie hängen der elterliche Erziehungsstil und das moralische Denken von Kindern zusammen?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die den Zusammenhang zwischen elterlichem Erziehungsstil und dem moralischen Denken der Kinder untersuchten. Die Studien mussten den Erziehungsstil der Eltern in autoritär, autoritativ, permissiv oder vernachlässigend einteilen. Das moralische Denken der Kinder musste in verschiedene Entwicklungsstufen eingeteilt werden.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 23 Studien aus den Jahren 1969 bis 2020, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Studienergebnisse von 5 042 Kindern. Die Kinder waren zwischen 4 und 20 Jahren alt.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 23 Studien schauten die Forschenden, wie stark jeweils die Zusammenhänge zwischen dem moralischen Denken der Kinder und den Erziehungsstilen waren.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale der Eltern wurden untersucht:
- Erziehungsstil
- Autoritär
- Wenig elterlich Wärme, Kontrolle durch Zwang
- Autoritativ
- Viel elterliche Wärme, Kontrolle durch Aushandeln, Förderung der Eigenständigkeit
- Permissiv
- Viel elterliche Wärme, wenig Kontrolle
- Vernachlässigend
- Wenig elterliche Wärme, wenig Kontrolle
- Autoritär
Folgende Merkmale der Kinder wurden untersucht:
- Moralisches Denken
- Gering entwickelt: Eigennutz steht beim Umgang mit moralischen Probleme im Vordergrund
- Weit entwickelt: moralische Prinzipien wie Fairness oder Gerechtigkeit spielen eine große Rolle beim Umgang mit moralischen Problemen
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
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Eine autoritative Erziehung hing mit dem moralischen Denken der Kinder zusammen. Je autoritativer der Erziehungsstil der Eltern war, desto weiter entwickelt war das moralische Denken der Kinder. Die Korrelation r betrug hier 0.13. Das ist ein kleiner Zusammenhang.
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Eine autoritäre Erziehung hing mit dem moralischen Denken der Kinder zusammen. Je autoritärer der Erziehungsstil der Eltern war, desto geringer entwickelt war das moralische Denken der Kinder. Die Korrelation r betrug hier - 0.10. Das ist ein kleiner Zusammenhang.
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Eine permissive Erziehung hing nicht mit dem moralischen Denken der Kinder zusammen. Der Zusammenhang war nicht bedeutsam.
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Eine vernachlässigende Erziehung hing nicht mit dem moralischen Denken der Kinder zusammen. Der Zusammenhang war nicht bedeutsam.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurden Zusammenhänge zwischen dem Erziehungsstil der Eltern und dem moralischen Denken der Kinder beobachtet. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es diesen Zusammenhang gibt. Man kann aber nicht sicher sagen, dass Unterschiede im Erziehungsstil auch die Ursache für Unterschiede im moralischen Denken sind.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie haben sich bemüht, diese Verzerrungen zu berücksichtigen. Sie nehmen deshalb an, dass der Zusammenhang zwischen Erziehungsstil und moralischen Denken tatsächlich ähnlich groß ist, wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Die Ergebnisse der einzelnen Studien waren sehr verschieden. Die Ergebnisse der Metaanalyse sind dadurch unsicher. Auch die Anzahl der Studien zu den einzelnen Erziehungsstilen schwankte stark. Für einen vernachlässigenden Erziehungsstil gab es zum Beispiel nur wenige Studien und diese Ergebnisse sind deshalb wenig zuverlässig. Die untersuchten Studien lassen außerdem keine Aussage darüber zu, ob der Erziehungsstil wirklich die kindliche Entwicklung beeinflusst hat. Es könnte auch sein, dass die Eltern mit ihrer Erziehung auf das Verhalten ihres Kindes reagieren.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es Zusammenhänge zwischen autoritären sowie autoritativen Erziehungsstil und dem moralischen Denken von Kindern gibt. Man könnte deshalb in ersten Studien versuchen, Eltern in Elterntrainings dazu ermutigen eher autoritativ und weniger autoritär zu erziehen. Sollte sich dann herausstellen, dass der Erziehungsstil die Ursache für Unterschiede im moralischen Denken ist, können Trainingsprogramme auf Familienebene folgen.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
In der Übersichtsarbeit können keine Angaben dazu gefunden werden, wie diese finanziert wurde.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.