Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Resilience in Children Exposed to Violence: A Meta-analysis of Protective Factors Across Ecological Contexts zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2019 veröffentlicht. Sie stammt von Kristen Yule und zwei weiteren Forschenden der Maquette University, einer privaten katholischen Universität in den USA.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Manche Kinder machen Gewalterfahrungen. Auffälliges Verhalten und seelische Probleme können die Folge sein. Manche Kinder entwickeln sich aber trotz Gewalterfahrungen unauffällig. Sie haben eine hohe Widerstandsfähigkeit.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Was macht Kinder mit Gewalterfahrungen widerstandsfähig?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die den Zusammenhang zwischen Gewalterfahrungen und Widerstandsfähigkeit bei Kindern untersuchten. Die Studien mussten auch nach Faktoren suchen, die Kinder widerstandsfähiger machten. Die Kinder mussten dabei entweder selbst Gewalt erfahren oder unmittelbar beobachtet haben. Das Alter der Kinder durfte höchstens 18 Jahre sein.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 118 Studien aus den Jahren 1992 bis 2017, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Studienergebnisse von 101 592 Kindern mit Gewalterfahrungen.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 118 Studien schauten die Forschenden, welche Faktoren in Verbindung mit einer höheren Widerstandsfähigkeit untersucht wurden. Sie schauten dann, wie stark jeweils der Zusammenhang zwischen diesen Faktoren und der Widerstandsfähigkeit der Kinder war. Sie prüften auch, welche Rolle die Art der Gewalterfahrung spielte und ob sich Zusammenhänge auch langfristig zeigten.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
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Widerstandsfähigkeit der Kinder
- Gesunde altersgemäße Entwicklung
- Seelische Gesundheit
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Faktoren, die Kinder widerstandsfähiger machen könnten
- Eigenschaften der Kinder
- Positives Selbstbild (1), Intelligenz (2), die Fähigkeit, eigene Gefühle und eigenes Verhalten zu steuern (3), Bewältigungsverhalten (4)
- Familiäre Faktoren
- Unterstützung durch die Familie (5), Erziehungspraktiken der Eltern (6)
- Unterstützung durch die Schule (7)
- Unterstützung durch Gleichaltrige (8)
- Gesellschaftliche Faktoren
- Gefühl des Zusammenhalts (9), Freizeitaktivitäten (10), Einbindung in eine religiöse Gemeinschaft (11)
- Eigenschaften der Kinder
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Art der Gewalterfahrung
- Kindesmisshandlung
- Zum Beispiel: selbst körperlich oder sexuell missbraucht werden
- Gewalt in Partnerschaften
- Zum Beispiel: Gewalt zwischen den eigenen Eltern miterleben
- Gewalt außerhalb des Zuhauses
- Zum Beispiel: ausgeraubt werden oder Zeuge eines Mords werden
- Kindesmisshandlung
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
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Die Forschenden fanden heraus, dass vier Faktoren besonders bedeutsam für die Widerstandsfähigkeit von Kindern mit Gewalterfahrungen waren.
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Die Fähigkeit, eigene Gefühle und eigenes Verhalten selbst zu steuern, hing mit der Widerstandsfähigkeit zusammen. Die Korrelation r betrug hier zwischen 0.30 und 0.45. Das ist ein mittelgroßer Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, eigene Gefühle und eigenes Verhalten selbst zu steuern, und der Widerstandsfähigkeit von Kindern mit Gewalterfahrungen.
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Die Unterstützung durch die Schule hing mit der Widerstandsfähigkeit zusammen. Die Korrelation r betrug hier zwischen 0.20 und 0.21. Das ist ein kleiner Zusammenhang zwischen der schulischen Unterstützung und der Widerstandsfähigkeit von Kindern mit Gewalterfahrungen.
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Die Unterstützung durch die Familie hing mit der Widerstandsfähigkeit zusammen. Die Korrelation r betrug hier zwischen 0.16 und 0.18. Das ist ein kleiner Zusammenhang zwischen der familiären Unterstützung und der Widerstandsfähigkeit von Kindern mit Gewalterfahrungen.
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Die Unterstützung durch Gleichaltrige hing mit der Widerstandsfähigkeit zusammen. Die Korrelation r betrug hier 0.12. Das ist ein kleiner Zusammenhang zwischen der Unterstützung durch Gleichaltrige und der Widerstandsfähigkeit von Kindern mit Gewalterfahrungen.
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Die Art der Gewalterfahrung der Kinder wirkte sich nicht bedeutsam auf die gefundenen Zusammenhänge aus. Die Zusammenhänge zwischen Widerstandsfähigkeit und den vier Faktoren waren für alle Arten der Gewalterfahrung ähnlich groß.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurden vier Faktoren gefunden, die Kinder mit Gewalterfahrungen widerstandsfähiger machten. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, kann man mit hoher Sicherheit sagen, dass diese Faktoren die höhere Widerstandsfähigkeit verursacht haben.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden machen keine Angaben dazu, ob es Hinweise auf solche Verzerrungen gibt. Ob die Zusammenhänge zwischen der Widerstandsfähigkeit und den gefundenen Faktoren tatsächlich kleiner sind als in dieser Übersichtsarbeit berechnet, bleibt damit unklar.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Auch, wenn sie insgesamt über 100 Studien gefunden haben, war die Anzahl der Studien, die einen bestimmten Faktor untersuchten, teilweise deutlich niedriger. Das Ergebnis der Metaanalyse ist dadurch für manche Faktoren unsicherer als für andere.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden schließen aus ihrer Übersichtsarbeit, dass die gefundenen Faktoren Auswirkungen von Gewalterfahrungen zumindest abschwächen können. Dies war für alle Arten von Gewalterfahrungen der Fall. Eine Förderung dieser Faktoren sollte außerdem auch dem Wohlbefinden von Kindern nutzen, die keine Gewalt erfahren haben. Vorbeugende Fördermaßnahmen und Programme auf Elternebene und Schulebene gibt es für einige Faktoren bereits.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
In der Übersichtsarbeit können keine Angaben dazu gefunden werden, wie diese finanziert wurde.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.