Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel The prevalence of impulse control disorders and behavioral addictions in eating disorders: a systematic review and meta-analysis zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2022 veröffentlicht. Sie stammt von Daniel J. Devoe und 11 weiteren Forschenden von dem Mathison Centre for Mental Health Research and Education an der Universität Calgary und zwei weiteren Instituten.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Aus verschiedenen Gründen kann es sein, dass Personen mit einer Essstörung (zum Beispiel Magersucht oder Bulimie) gleichzeitig auch eine Störung der Impulskontrolle haben. Das kann zum Beispiel eine Verhaltenssucht sein. Bei einer Verhaltenssucht sind Menschen nicht nach einer Droge süchtig, sondern nach einem Verhalten (zum Beispiel Glücksspielen). Wenn Personen mit einer Essstörung auch eine solche Störung haben, leiden sie stärker und die üblichen Behandlungen helfen nicht mehr so gut.
Forschungsfrage:
Mit îhrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Wie häufig haben Personen mit einer Essstörung auch eine Störung der Impulskontrolle? Wie häufig kommen bei ihnen bestimmte Verhaltenssüchte vor?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die bei Menschen mit Essstörungen untersuchen, ob gleichzeitig auch eine Störung der Impulskontrolle oder eine bestimmte Verhaltenssucht vorliegt.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 35 Studien aus den Jahren 1980 bis 2019. Insgesamt sind das Studienergebnisse von 9 646 Personen mit Essstörungen. Die Personen waren im Durchschnitt 26 Jahre alt und 98% von ihnen waren weiblich.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 35 Studien schauten die Forschenden, wie häufig Personen mit einer Essstörung zusätzlich irgendeine Störung der Impulskontrolle haben. Sie schauten auch, wie häufig diese Personen bestimmte Verhaltenssüchte haben.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale wurden untersucht:
- Ob die Person mit der Essstörung zusätzlich eine Störung der Impulskontrolle hat
- zum Beispiel irgendeine Verhaltenssucht
- Welche Verhaltenssucht die Person mit der Essstörung hat
- zum Beispiel Kaufsucht, zwanghaftes Stehlen, Spielsucht, Internetsucht, zwanghaftes Feuerlegen
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Die Forschenden fanden heraus, dass 22% der Personen mit einer Essstörung zusätzlich eine Störung der Impulskontrolle hatten. Umgerechnet auf eine Gruppe von 100 Personen, die eine Essstörung haben, sind das 22 Personen, die zusätzlich eine Störung der Impulskontrolle haben.
- Die häufigste Verhaltenssucht bei den Personen mit Essstörungen war die Kaufsucht. Das kam bei 19% der Personen mit Essstörungen vor. Umgerechnet auf eine Gruppe von 100 Personen, die eine Essstörung haben, sind das 19 Personen, die auch eine Kaufsucht haben.
- Die zweithäufigste Verhaltenssucht war zwanghaftes Stehlen. Das kam bei 18% der Personen mit Essstörungen vor. Umgerechnet auf eine Gruppe von 100 Personen, die eine Essstörung haben, sind das 18 Personen, die zwanghaft stehlen.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurde beobachtet, dass bei einer von fünf Personen mit einer Essstörung gleichzeitig eine Störung der Impulskontrolle auftritt. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es dieses gleichzeitige Auftreten gibt. Man kann aber nicht sagen, dass die Essstörung die Ursache für die Störung der Impulskontrolle ist oder dass die Störung der Impulskontrolle die Ursache für die Essstörung ist.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden machen keine Angaben dazu, ob es Hinweise auf solche Verzerrungen gibt. Ob die Häufigkeit von Störungen der Impulskontrolle bei Personen mit Essstörungen tatsächlich seltener ist als in der Übersichtsarbeit berechnet, bleibt damit unklar.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Die Studien benutzten unterschiedliche Messinstrumente, um zu untersuchen, ob die Person eine Störung der Impulskontrolle hat. Das könnte die Ergebnisse verzerren. Zum Zusammenhang zwischen Essstörungen und Störungen der Impulskontrolle gibt noch nicht viele Studien. Die Studien hatten außerdem nicht immer alle Informationen, die die Forschenden benötigten. Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage konnten sie beispielsweise nur drei der gefundenen 35 Studien nutzen.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Bei Menschen mit einer Essstörung sollte immer untersucht werden, ob sie auch eine Störung der Impulskontrolle haben. Wer Essstörungen behandelt, sollte auch Störungen der Impulskontrolle behandeln können oder den Betroffenen Zugang zu solchen Behandlungen anbieten. Dadurch kann den Betroffenen besser geholfen werden.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde durch verschiedene Stipendien und Preise der einzelnen Forschenden finanziert. Außerdem haben das O’Brien Institute for Public Health, die Alberta Children’s Hospital Stiftung und das Alberta Children’s Hospital Forschungsinstitut die Erstellung der Übersichtsarbeit unterstützt.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.