Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Personality traits differentiate patients with bipolar disorder and healthy controls–A meta-analytic approach. zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2022 veröffentlicht. Sie stammt von Natalie Hanke und fünf weiteren Forschenden von der Universitätsklinik Köln und der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Ein bis zwei Prozent aller Menschen leiden an einer bipolaren Störung. Bei dieser psychischen Störung schwankt die Stimmung stark zwischen Extremen. Betroffene sind in Hochstimmung oder sehr niedergeschlagen. Forschende vermuten seit Längerem, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale mit der Störung zusammenhängen. Diese Merkmale zu kennen, kann dabei helfen herauszufinden, welche Personen gefährdet sind, die Störung zu entwickeln.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Unterscheiden sich Menschen mit bipolarer Störung in wichtigen Persönlichkeitsmerkmalen von psychisch gesunden Menschen?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die sechs wichtige Persönlichkeitsmerkmale von Menschen mit bipolarer Störung und von psychisch gesunden Menschen untersuchten. Die Studien mussten die Persönlichkeitsmerkmale mit wissenschaftlichen Fragebögen gemessen haben.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 18 Studien aus den Jahren 1979 bis 2018, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Studienergebnisse von 1694 Menschen mit bipolarer Störung und 2153 psychisch gesunden Menschen. Die Studien stammten aus Europa, Asien und den USA.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 18 Studien schauten die Forschenden, ob sich Menschen mit bipolarer Störung und psychisch Gesunde in sechs wichtigen Persönlichkeitsmerkmalen unterschieden.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale haben die Forschenden untersucht:
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Persönlichkeitsmerkmale
- Neurotizismus: Neigung zu Ängstlichkeit
- Extraversion: Neigung zu Geselligkeit
- Gewissenhaftigkeit: Neigung zu Ordentlichkeit und Pflichtbewusstsein
- Offenheit für Erfahrungen
- Verträglichkeit: Neigung zu Hilfsbereitschaft und Mitgefühl
- Psychotizismus: Neigung zu Gefühlskälte und Ich-Bezogenheit
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Bipolare Störung: Haben die Menschen eine bipolare Störung oder sind sie psychisch gesund, haben also keine psychische Störung?
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Menschen mit bipolarer Störung neigten eher zu Ängstlichkeit. Das Unterschiedsmaß Hedges g betrug 1.44. Das ist ein großer Unterschied im Vergleich zu psychisch gesunden Menschen.
- Menschen mit bipolarer Störung waren weniger gesellig als psychisch gesunde Menschen. Das Unterschiedsmaß Hedges g betrug 0.38. Das ist ein kleiner Unterschied.
- Die beiden Gruppen unterschieden sich auch in der Gewissenhaftigkeit. Menschen mit bipolarer Störung waren eher weniger gewissenhaft. Das Unterschiedsmaß Hedges g betrug 0.78. Das ist ein mittelgroßer Unterschied.
- In der Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Psychotizismus unterschieden sich Menschen mit bipolarer Störung und psychisch Gesunde nicht bedeutsam.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurden Unterschiede in der Persönlichkeit zwischen Menschen mit bipolarer Störung und psychisch gesunden Menschen beobachtet. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es diese Unterschiede gibt. Man kann aber nicht sicher sagen, dass bestimmte Eigenschaften eher zu einer bipolaren Störung führen.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden keine Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass die Unterschiede in den Persönlichkeitsmerkmalen zwischen Menschen mit bipolarer Störung und psychisch Gesunden tatsächlich ähnlich groß sind wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden merken an, dass sie nur Unterschiede in der Persönlichkeit von Menschen mit bipolarer Störung und psychisch Gesunden betrachtet haben. Sie haben also nicht Menschen mit bipolarer Störung mit Personen verglichen, die eine andere psychische Störung haben. Daher ist nicht klar, ob die Unterschiede nur für Menschen mit bipolarer Störung gelten. Oder ob man sie auch finden würde, wenn man Menschen mit anderen Störungen mit psychisch Gesunden vergleicht.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden argumentieren: Das Wissen über Merkmale von Menschen mit bipolarer Störung kann helfen, zu erkennen, welche Personen ein Risiko dafür haben, die Störung zu entwickeln. Außerdem meinen sie, dass dieses Wissen bei der Entwicklung von Behandlungen helfen kann.
Bitte beachten Sie: Bei Ergebnissen von Studien und Übersichtsarbeiten handelt es sich um durchschnittliche Werte. Im Einzelfall können die Ergebnisse stark abweichen. Jemand mit einer bipolaren Störung kann zum Beispiel auch überdurchschnittlich gewissenhaft oder wenig ängstlich sein.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Ein Forscher erhielt finanzielle Unterstützung durch ein Forschungsprogramm der Europäischen Kommission, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und von drei Pharmaunternehmen.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.