Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Neurocognitive impairment in night and shift workers: a meta-analysis of observational studies zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2022 veröffentlicht. Sie stammt von Thomas Vlasak und zwei weiteren Forschenden von der Sigmund Freud PrivatUniversität Linz.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
In unserer modernen Gesellschaft ist es wichtig, dass Menschen im Schichtdienst – also außerhalb der üblichen Arbeitszeiten - arbeiten. Dies ermöglicht zum Beispiel eine durchgehende Gesundheitsversorgung. Im Schichtdienst zu arbeiten ist auf Dauer allerdings schlecht für die Gesundheit. Dazu gibt es schon viel Forschung. Ob im Schichtdienst zu arbeiten auch kognitive Fähigkeiten beeinträchtigt, ist hingegen noch unklar.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Wie unterscheidet sich die Leistung in kognitiven Fähigkeiten zwischen Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, und Menschen, die nicht im Schichtdienst arbeiten?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien die die Leistung in kognitiven Fähigkeiten von Menschen untersuchten, die im Schichtdienst arbeiten. Die Studien mussten die kognitiven Fähigkeiten dieser Menschen mit der kognitiven Fähigkeit von Menschen vergleichen, die nicht im Schichtdienst arbeiteten. Unter Schichtdienst verstanden die Forschenden in ihrer Übersichtsarbeit das Arbeiten in festen oder flexiblen Schichten außerhalb der Zeit von 7 Uhr bis 18 Uhr.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 18 Studien aus den Jahren 2005 bis 2020, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Studienergebnisse von 18 802 Arbeitnehmenden.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 18 Studien schauten die Forschenden, wie stark sich die Leistung in kognitiven Fähigkeiten bei den Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, von der Leistung der Menschen unterschied, die nicht im Schichtdienst arbeiten.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale der Arbeitnehmenden wurden untersucht:
- Arbeitsbedingungen
- Schichtdienst. Arbeit in festen oder flexiblen Schichten außerhalb der Zeit von 7 Uhr bis 18 Uhr
- Kein Schichtdienst. Arbeit innerhalb der Zeit von 7 Uhr bis 18 Uhr
- Kognitive Fähigkeiten
- Die gefundenen Studien gingen unterschiedlich vor, um die Leistung in kognitiven Fähigkeiten zu messen. In manchen Fällen setzten sie dazu Teile von bekannten Intelligenztests ein – zum Beispiel wie gut Personen sich Zahlen merken und im Gedächtnis sortieren können. In anderen Fällen erfassten sie hierzu einfach, wie schnell Personen auf Töne oder Bilder reagieren können.
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, waren insgesamt weniger kognitiv leistungsfähig als Menschen, die nicht im Schichtdienst arbeiten. Die Effektstärke Hedges g betrug 0.24. Das ist ein kleiner Unterschied zwischen Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, und denen, die dies nicht tun.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurden Unterschiede in kognitiven Fähigkeiten zwischen Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, und denen, die dies nicht tun, beobachtet. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es diese Unterschiede gibt. Man kann aber nicht sicher sagen, dass die Arbeit im Schichtdienst diese Unterschiede in der Leistung in kognitiven Fähigkeiten auch verursacht.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden nahezu keine Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass der Unterschied in der Leistung in kognitiven Fähigkeiten zwischen Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, und denen, die dies nicht tun, tatsächlich insgesamt ähnlich groß ist, wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Die Studien gingen sehr unterschiedlich vor, um die Leistung in kognitiven Fähigkeiten zu messen. Das macht die Ergebnisse etwas weniger belastbar. Außerdem wäre es spannend zu wissen, welchen Einfluss hat, wie lange man schon im Schichtdienst arbeitet. Das wurde aber bisher zu selten mit untersucht, weswegen die Forschenden in ihrer Übersichtsarbeit keine Aussage dazu machen können.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden denken, dass die gefundene niedrigere Leistung in kognitiven Fähigkeiten bei Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, zu mehr arbeitsbezogenen Fehlern und auch Arbeitsunfällen beitragen könnte. Dies ist vor allem ein Problem in Berufen, die gefährlich sind oder hohe Anforderungen an die Sicherheit stellen. Man sollte deshalb Gegenmaßnahmen wie Schlafpausen und Erholungspläne in den Arbeitsalltag einbauen.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde nicht durch Dritte, zum Beispiel Stiftungen oder Unternehmen, finanziell gefördert oder unterstützt.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.