Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Changes in alcohol use during the COVID-19 pandemic in Europe: A meta-analysis of observational studies zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2022 veröffentlicht. Sie stammt von Carolin Kilian und zehn weiteren Forschenden von der Technischen Universität Dresden und neun weiteren Instituten.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Es ist bekannt, dass Krisen verändern können, wie viel Alkohol Menschen trinken. Die Corona-Pandemie hat unser Leben in Europa in vielfältiger Weise beeinflusst. Der Corona-Virus selbst war ein großes Gesundheitsrisiko. Neben diesem direkten Gesundheitsrisiko befürchtete man aber auch, dass Menschen in Europa als Reaktion auf den mit der Corona-Pandemie verbundenen Stress und die soziale Isolation mehr Alkohol trinken könnten. Anderseits gab es aber auch weniger soziale Gelegenheiten zum Trinken von Alkohol, was auch zu weniger Trinken hätte führen können.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Haben Menschen in Europa während der Corona-Pandemie weniger oder mehr Alkohol getrunken?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die untersuchten, inwiefern Menschen ihr Trinkverhalten während der Corona-Pandemie änderten. Die untersuchten Menschen mussten in Europa leben und die Studien mussten an der Allgemeinbevölkerung durchgeführt worden sein.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 56 Studien aus den Jahren 2020 und 2021, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Studienergebnisse von über 189 321 europäischen Erwachsenen.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 56 Studien schauten die Forschenden, welche Veränderungen im Trinken von Alkohol die Menschen während der Corona-Pandemie berichteten.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
- Was die Menschen berichteten, wie ihr Trinkverhalten während der Corona-Pandemie im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie war
- Wurde insgesamt mehr oder weniger Alkohol während der Corona-Pandemie getrunken
- Wurde öfter oder seltener während der Corona-Pandemie Alkohol getrunken - zum Beispiel an mehr Tagen
- Wurde während der Corona-Pandemie eine größere oder eine kleinere Menge Alkohol getrunken an den Tagen, an denen Alkohol getrunken wurde
- Wurden während der Corona-Pandemie mehr oder weniger Rauschtrinken berichtet
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Insgesamt tranken die Menschen während der Corona-Pandemie weniger Alkohol. Ein größerer Teil der Befragten gab an, weniger zu trinken. Ein kleinerer Teil gab an, mehr zu trinken. Bezogen auf alle Befragten gaben 4 Prozent mehr an, weniger zu trinken.
- Die Häufigkeit des Trinkens nahm auch eher ab. Ein größerer Teil der Befragten gab an, seltener zu trinken. Ein kleinerer Teil gab an, häufiger zu trinken. Bezogen auf alle Befragten gaben 8 Prozent mehr an, seltener zu trinken.
- Die Alkoholmenge, die getrunken wurde, nahm auch eher ab. Ein größerer Teil der Befragten gab an, an den Tagen, an denen Alkohol getrunken wurde, eine geringere Menge zu trinken. Ein kleinerer Teil gab an, eine größere Menge zu trinken. Bezogen auf alle Befragten gaben 12 Prozent mehr an, eine geringere Menge zu trinken.
- Rauschtrinken war auch seltener. Ein größerer Teil der Befragten gab an, weniger bis zum Rausch zu trinken. Ein kleinerer Teil gab an, häufiger bis zum Rausch zu trinken. Bezogen auf alle Befragten gaben 18 Prozent mehr an, seltener bis zum Rausch zu trinken.
- Alle diese Veränderungen im Trinkverhalten waren statistisch bedeutsam.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurden Änderungen im Trinkverhalten während der Corona-Pandemie beobachtet. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es diesen Unterschied gibt. Man kann aber nicht sicher sagen, dass die Corona-Pandemie auch die Ursache für diese Änderungen im Trinkverhalten war.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden nur für Rauschtrinken Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie haben sich bemüht, diese Verzerrungen bei Rauschtrinken zu berücksichtigen. Sie nehmen deshalb an, dass die Veränderungen im Trinkverhalten tatsächlich ähnlich groß sind, wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden haben kontrolliert, wie die Qualität der eingeschlossenen Studien war. Sie fanden heraus, dass das Ergebnis dadurch nicht beeinflusst wurde. Die Forschenden schätzen die Belastbarkeit der Ergebnisse deshalb als hoch ein. Die Forschenden geben aber auch zu bedenken: Ihre Ergebnisse beruhen darauf, was die Personen selbst über Änderungen ihres Trinkverhaltens gesagt haben. Man weiß nicht sicher, wie genau solche Angaben sind.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden konnten in ihrer Übersichtsarbeit zeigen, dass die Menschen während der Corona-Pandemie eher weniger Alkohol tranken. Die Ergebnisse zum Rauschtrinken lassen vermuten, dass dies unter anderem an mangelnden Gelegenheiten zum sozialen Trinken gelegen haben könnte.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde durch verschiedene Ministerien und Stiftungen finanziert – unter anderem durch das spanische Wissenschaftsministerium und weitere Ministerien anderer Länder.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass folgende Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen: Zwei Forschende haben Gelder von den Unternehmen GILEAD, Lundbeck, Neuraxpharm, Exeltis und Otsuka erhalten. Das sind Unternehmen der Pharmaindustrie. Laut den Forschenden haben diese Gelder keinen Bezug zur vorliegenden Übersichtsarbeit.