Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Expressed emotion in the family: a meta-analytic review of expressed emotion as a mechanism of the transgenerational transmission of mental disorders zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2022 veröffentlicht. Sie stammt von Julia Fahrer und vier weiteren Forschenden der Universität Marburg und zwei weiteren Instituten.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Kinder von Eltern mit psychischen Störungen haben ein höheres Risiko, selbst eine psychische Störung zu entwickeln. Studien zeigen, dass Menschen mit psychischen Störungen in ihrer Kindheit häufiger von ihren Eltern kritisiert oder abgelehnt wurden. Möglicher Weise haben Eltern mit psychischen Störungen daher selbst häufiger eine ablehnende oder kritische Haltung gegenüber ihren Kindern. Diese Haltung der Eltern könnte dann zu dem höheren Risiko ihrer Kinder beitragen, selbst eine psychische Störung zu entwickeln.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden:
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer psychischen Störung bei Eltern und einer kritischen und ablehnenden Haltung gegenüber ihren Kindern?
- Macht es für diesen Zusammenhang einen Unterschied, wie alt die Kinder sind und ob die Kinder selbst eine psychische Störung haben?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien mit Eltern von minderjährigen Kindern, bei denen mit wissenschaftlichen Fragebögen festgestellt worden war, ob sie eine psychische Störung hatten. Außerdem mussten die Studien eine kritische und ablehnende Haltung der Eltern gegenüber ihren Kindern durch wissenschaftlich geprüfte Fragebögen untersucht haben.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 13 Studien aus den Jahren 1990 bis 2017, deren Ergebnisse sie in einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Studienergebnisse von 607 Eltern mit einer psychischen Störung und 675 psychisch gesunden Eltern.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 13 Studien schauten die Forschenden, ob Eltern mit einer psychischen Störung eher eine kritische und ablehnende Haltung gegenüber ihren Kindern hatten. Außerdem überprüften sie, ob Merkmale der Kinder einen Einfluss auf diesen Zusammenhang hatten.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
- Ob die Eltern eine psychische Störung hatten
- Kritische und ablehnende Haltung der Eltern gegenüber den Kindern
- Alter der Kinder
- Ob die Kinder eine psychische Störung hatten
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Das Vorliegen einer psychischen Störung bei den Eltern hing mit einer kritischen und ablehnenden Haltung gegenüber ihren Kindern zusammen. Die Effektstärke Odds Ratio betrug 1.45. Das ist ein kleiner Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer psychischen Störung bei den Eltern und einer kritischen Haltung gegenüber ihren Kindern. Das bedeutet, Eltern mit einer psychischen Störung hatten eher eine kritische und ablehnende Haltung gegenüber ihren Kindern als Eltern ohne psychische Störung.
- Das Alter der Kinder hatte einen Einfluss auf diesen Zusammenhang. Gegenüber Jugendlichen hatten Eltern mit psychischen Störungen eher eine kritische und ablehnende Haltung. Die Effektstärke Odds Ratio betrug 1.40. Das ist ein kleiner Zusammenhang zwischen dem Alter der Kinder und einer kritischen Haltung bei Eltern mit psychischen Störungen.
- Ob die Kinder eine psychische Störung hatten, hatte ebenfalls einen Einfluss auf den Zusammenhang. Wenn sie Kinder mit einer psychischen Störung hatten, hatten Eltern mit einer psychischen Störung eher eine kritische und ablehnende Haltung gegenüber den Kindern. Die Effektstärke Odds Ratio betrug 2.82. Das ist ein mittelgroßer Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer psychischen Störung der Kinder und einer kritischen Haltung bei Eltern mit psychischen Störungen.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurde ein Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer psychischen Störung bei Eltern und einer kritischeren Haltung gegenüber ihren Kindern beobachtet. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es diesen Zusammenhang gibt. Dies bedeutet nicht, dass das Vorliegen einer psychischen Störung bei den Eltern auch die Ursache für den Zusammenhang ist.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
-
Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
-
Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden keine Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass der Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer psychischen Störung bei Eltern und einer kritischeren Haltung gegenüber ihren Kindern tatsächlich ähnlich groß ist wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden stellten fest, dass Teilnehmende aus einer der eingeschlossenen Studien stark abweichende Ergebnisse hatten. Daher haben sie diese aus der weiteren Auswertung ausgeschlossen. Das hat zu anderen Ergebnissen geführt, als wenn man die Teilnehmenden nicht ausgeschlossen hätte. Die Forschenden geben außerdem zu bedenken, dass sie das Alter der Kinder und deren psychische Störungen in den Studien häufig nicht genau bestimmen konnten. Deswegen konnten sie den Einfluss dieser Merkmale nur allgemein betrachten.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden betonen, dass noch mehr Forschung gemacht werden muss, um zu verstehen, wie es zu diesem Zusammenhang kommt. Solche Forschung kann dann in Zukunft helfen, Angebote für Eltern mit psychischen Störungen weiterzuentwickeln und dadurch das Eltern-Kind-Verhältnis zu verbessern.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
In der Übersichtsarbeit können keine Angaben dazu gefunden werden, wie diese finanziert wurde.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.