Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Prevalence and risk factors of birth-related posttraumatic stress among parents: A comparative systematic review and meta-analysis zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2022 veröffentlicht. Sie stammt von Clara-Sophie Heyne und neun weiteren Forschenden von der technischen Universität Dresden und elf weiteren Instituten.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Eine Geburt verändert das Leben der werdenden Eltern für immer. Mit großer Vorfreude erwarten sie in der Regel das eigene Kind. Dass Geburten auch traumatisch verlaufen können – beispielsweise, wenn Probleme auftreten, wird dabei oft eher ausgeklammert. Es gibt bisher nur wenige Daten dazu, wie oft werdende Eltern nach einer Geburt traumatisiert sind.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden:
- Wie oft sind werdende Mütter nach der Geburt traumatisiert?
- Wie oft sind werdende Väter nach der Geburt traumatisiert?
- Wie wirken sich Risikomerkmale, zum Beispiel Angst vor der Geburt, auf die Häufigkeit der Traumatisierungen aus?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die Traumastörungen und Traumareaktionen bei Eltern nach einer Geburt untersuchten. Die Geburt musste dabei mindestens vier Wochen und höchstens 14 Monate zurückliegen.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 154 Studien aus den Jahren 1996 bis 2022, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Studienergebnisse von über 54 711 Geburten aus 29 verschiedenen Ländern.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 154 Studien schauten die Forschenden, wie häufig Eltern nach einer Geburt traumatisiert waren. Sie schauten dabei einzeln auf Väter und Mütter. Sie schauten auch, ob bei der Geburt Risikomerkmale für Traumatisierungen vorlagen.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale der werdenden Eltern und der Geburt wurden untersucht:
- Wie stark waren die werdenden Eltern traumatisiert?
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
- Voll ausgeprägte Traumastörung
- Posttraumatischer Stress
- Traumareaktion, die weniger stark ist als bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung
- Elternteil
- Mütter
- Väter
- Risikomerkmale für Traumatisierungen
- Zum Beispiel: Frühgeburten, Schwangerschaften mit Komplikationen, Totgeburten, ausgeprägte Angst vor der Geburt, frühere elterliche Trauma-Erfahrungen
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Traumareaktionen traten über alle Geburten hinweg bei über 12 von 100 Müttern auf. Eine voll ausgeprägte Traumastörung lag bei knapp 5 von 100 Müttern vor.
- Wenn Risikomerkmale vorlagen, traten Traumareaktionen bei 21 von 100 Müttern auf. Dies ist bedeutsam häufiger als wenn keine Risikomerkmale vorlagen. Die Häufigkeit der voll ausgeprägten Traumastörung unterschied sich nicht bedeutsam, wenn Risikomerkmale vorlagen.
- Traumareaktionen traten im Durchschnitt bei etwas mehr als 1 von 100 Vätern auf. Eine voll ausgeprägte Traumastörung trat bei etwas weniger als 1 von 100 Vätern auf.
- Das Vorliegen von Risikomerkmalen hing bei Vätern nicht bedeutsam mit Traumareaktionen oder Traumastörungen zusammen.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In dieser Übersichtsarbeit haben die Forschenden die Häufigkeit von Traumatisierungen nach Geburten ermittelt. Sie haben also herausgefunden, wie oft Traumatisierungen bei werdenden Eltern vorkommen. Was genau die Traumatisierung der Eltern bei der Geburt verursacht, war nicht das Hauptthema dieser Übersichtsarbeit. Hierzu ist weitere Forschung notwendig.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass eher weniger Traumatisierungen und Traumareaktionen vorliegen als in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Die Ergebnisse für Traumatisierungen und Traumareaktionen der Väter sind sehr unsicher, weil für Väter sehr wenige Studien vorlagen. Die Forschenden wollten ursprünglich auch Traumatisierungen von Partnern untersuchen, die nicht die Väter waren. Dafür gab es aber keine Studien. Außerdem war die Trennung zwischen Traumastörung und Traumareaktion manchmal schwierig. Genauso gibt es noch zu wenig Übereinstimmung dazu, was Risikomerkmale für Traumatisierung bei Geburten sind. Zu bestimmen, ob bei Geburten Risikomerkmale vorlagen oder nicht, war damit manchmal schwierig.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden schließen aus ihrer Übersichtsarbeit, dass Geburten viele Traumatisierungen zur Folge haben. Die meisten Eltern sind zwar nach einer Geburt nicht traumatisiert. Weltweit könnten dennoch bis zu 91 Millionen Familien im Jahr betroffen sein. Es gibt also viel Behandlungsbedarf. Ähnlich wie bei Wochenbettdepression sollten auch Traumatisierungen stärker bei Geburten routinemäßig berücksichtigt werden. Werdende Eltern, die ein erhöhtes Risiko für eine Traumatisierung haben, könnten schon besonders auf die Geburt vorbereitet werden. Nach der Geburt sollte dann geprüft werden, ob die Eltern möglicher Weise traumatisiert sind. Bei Bedarf sollten sie dann Hilfe erhalten.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde nicht durch Dritte, zum Beispiel Stiftungen oder Unternehmen, finanziell gefördert oder unterstützt. Alle Forschenden sind aber Teil eines durch die Europäische Union geförderten Netzwerks von Forschenden.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.