Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Prevalence of attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) among substance use disorder (SUD) populations: Meta-analysis zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2023 veröffentlicht. Sie stammt von Henrik Rohner und drei weiteren Forschenden von der Universität Bonn.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Suchterkrankungen sind ein großes Problem für Einzelne, ihre Angehörigen und das Gesundheitssystem. Bei einer Drogensucht sind Betroffene süchtig nach bestimmten Stoffen, zum Beispiel Alkohol, Nikotin oder Kokain. Häufiger haben die Betroffenen auch ADHS. Eine Erklärung könnte sein, dass manche Menschen mit ADHS Drogen zu sich nehmen, um ihre ADHS-Beschwerden besser in den Griff zu bekommen. Dies würde dann dazu führen, dass sich unter Menschen mit einer Sucht häufiger auch Menschen mit ADHS finden. Wie viele dies sind, ist jedoch unklar. Die Zahlen schwanken stark zwischen den Studien. Daher ist es sinnvoll, einen Mittelwert aus allen Studien zu bestimmen, die dies untersucht haben.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Wie viele Menschen, die süchtig nach einer Droge sind, haben auch ADHS?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die bei Menschen mit einer Sucht untersuchten, ob sie zusätzlich ADHS hatten. Die Menschen mussten süchtig nach einer Droge wie Alkohol, Nikotin oder Kokain sein.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 31 Studien aus den Jahren 1993 bis 2022, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Ergebnisse von 12 524 Menschen mit einer Sucht nach Drogen. Die Menschen waren zum Beispiel süchtig nach Alkohol, Kokain oder Heroin. Die meisten Studien stammten aus den USA und Europa.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 31 Studien schauten die Forschenden, wie hoch der Anteil derjenigen Menschen war, die neben der Sucht auch ADHS hatten.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale haben die Forschenden untersucht:
- Drogensucht
- ADHS: Haben die Menschen mit der Sucht zusätzlich ADHS?
- ärztlich oder psychotherapeutisch festgestellt
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Etwa 21 von 100 Menschen mit einer Sucht hatten auch ADHS. Das sind etwa zehnmal mehr als in der Gesamtbevölkerung. Hier haben nur 2 bis 3 von 100 Menschen ADHS.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
Die Übersichtsarbeit fand unter Menschen mit einer Sucht mehr Menschen, die auch ADHS haben. Man kann aber damit nicht sagen, dass eine Sucht eine Ursache für ADHS ist. Oder dass ADHS die Ursache für eine Sucht sein muss.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden keine Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass ähnlich viele Menschen mit einer Sucht auch an ADHS leiden wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Der Forschenden geben zu bedenken, dass sich der Anteil der Betroffenen mit ADHS zwischen den einzelnen Studien zum Teil stark unterschied. Das bedeutet, in manchen Studien hatten deutlich weniger als jeder fünfte Mensch mit einer Drogensucht auch ADHS. Und in anderen Studien waren es deutlich mehr als jeder fünfte. Das Ergebnis der Übersichtsarbeit ist ein Mittelwert aus diesen einzelnen Studienergebnissen. Es war den Forschenden nicht möglich, zu überprüfen, woran die starken Schwankungen liegen könnten. Ansonsten wiesen die Studien aber insgesamt ein geringes Risiko auf, verzerrt zu sein.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Da der Anteil von Menschen mit ADHS unter Suchterkrankten deutlich erhöht ist, vermuten die Forschenden, dass ADHS ein Risiko dafür darstellt, eine Sucht zu entwickeln. Sie meinen, dass eine frühzeitige Erkennung und Behandlung einer ADHS vielleicht verhindern könnte, dass manche Menschen eine Sucht entwickeln. Dass andersherum eine Sucht das Risiko für ADHS erhöht, scheint eher unwahrscheinlich. ADHS ist stark erblich bedingt und tritt in den meisten Fällen schon in der Kindheit oder im Jugendalter auf.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde nicht durch Dritte, zum Beispiel Stiftungen oder Unternehmen, finanziell gefördert oder unterstützt.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Eine Forscherin ist Mitglied im Beirat von drei pharmazeutischen Unternehmen. Sie ist außerdem Autorin verschiedener Bücher und Artikel über Psychotherapie.