Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Antidepressants and quality of life in patients with major depressive disorder – Systematic review and meta-analysis of double-blind, placebo-controlled RCTs zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2023 veröffentlicht. Sie stammt von Teresa Wiesinger und drei weiteren Forschenden der Universität Köln und der Technischen Universität Dresden.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Medikamente gegen Depression („Antidepressiva“) sollen die Beschwerden einer Depression lindern. Wie sich die Einnahme solcher Medikamente auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirkt, ist jedoch mindestens ebenso wichtig. Der Begriff „Lebensqualität“ beschreibt das psychische und körperliche Wohlbefinden im Alltag. Deshalb ist es sinnvoll, auch den Einfluss der Medikamente gegen Depression auf die Lebensqualität zu betrachten.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Verbessert sich die Lebensqualität von Erwachsenen mit Depression, wenn sie gegen die Depression Medikamente einnehmen?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die den Unterschied in der Lebensqualität von Erwachsenen mit Depression untersuchten, die ein Scheinmedikament oder Medikamente gegen Depression einnahmen.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 46 Studien aus den Jahren 1995 bis 2019. Insgesamt sind das Studienergebnisse von 16 171 Erwachsenen mit Depression.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 46 Studien schauten die Forschenden, ob sich die Lebensqualität von Erwachsenen mit Depression verglichen mit einem Scheinmedikament verbesserte, wenn sie ein Medikament gegen Depression einnahmen.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale haben die Forschenden untersucht:
- Was haben die Studienteilnehmenden eingenommen?
- Scheinmedikament (Placebo)
- Medikament gegen Depression
- Lebensqualität, gemessen mit Fragebögen
- Grund der Behandlung
- akute Depression
- Depression im Zusammenhang mit einer körperlichen Erkrankung
- nachlassende Depression
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Insgesamt verbesserte die Einnahme eines Medikaments gegen Depression die Lebensqualität. Cohen’s d betrug 0.22. Das ist ein kleiner Unterschied. Umgerechnet auf 100 Personen bedeutet dies: 59 von 100 Menschen hatten nach der Einnahme eines Medikaments eine bessere Lebensqualität als der Durchschnitt der Betroffenen mit Scheinmedikament.
- Der Unterschied in der Lebensqualität während der akuten Behandlung war ebenfalls klein. Cohen’s d betrug 0.21. Das bedeutet: 58 von 100 Menschen hatten nach der Einnahme eines Medikaments eine bessere Lebensqualität als der Durchschnitt der Betroffenen mit Scheinmedikament.
- Wenn Menschen mit körperlicher Erkrankung an Depression litten, gab es ebenfalls einen kleinen Unterschied in der Lebensqualität. Cohen’s d betrug 0.11. Das bedeutet: 54 von 100 Menschen hatten nach der Einnahme eines Medikaments eine bessere Lebensqualität als der Durchschnitt der Betroffenen mit Scheinmedikament.
- Wenn die Depression bereits nachgelassen hatte, betrug Cohen’s d 0.38. Das ist ein mittelgroßer Unterschied. Das bedeutet: 65 von 100 Menschen hatten nach der Einnahme eines Medikaments eine bessere Lebensqualität als der Durchschnitt der Betroffenen mit Scheinmedikament.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
Die Übersichtsarbeit berichtet einen Unterschied in der Lebensqualität zwischen Menschen mit Depression, die ein Scheinmedikament oder ein Medikament gegen Depression einnahmen. Wegen der Art der berücksichtigten Studien kann man mit hoher Sicherheit sagen, dass die Ursache für den Unterschied darin liegt, was die Menschen eingenommen haben.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden keine Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass die beobachteten Unterschiede in der Lebensqualität nicht dadurch zu erklären sind, dass eher Studien mit größeren Unterschieden veröffentlicht wurden.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken, dass fast alle berücksichtigten Studien ein hohes Risiko für eine Verzerrung der Ergebnisse aufweisen. Das kann zum Beispiel dadurch passieren, dass Studien nicht wissenschaftlich einwandfrei durchgeführt wurden. Wenn die Forschenden nur Studien mit einem geringen Risiko berücksichtigten, waren die beobachteten Unterschiede in der Lebensqualität deutlich kleiner.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Wegen des hohen Risikos für die Verzerrung ihrer Ergebnisse ziehen die Forschenden nur vorsichtige Schlüsse aus ihrer Übersichtsarbeit. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Lebensqualität von Betroffenen höher ist, wenn sie Medikamente gegen Depression einnehmen. Es ist jedoch wichtig, zu berücksichtigen, dass diese Ergebnisse nur Durchschnittswerte sind. Bei jedem Menschen kann sich die Einnahme eines Medikaments gegen Depression unterschiedlich auf die Lebensqualität auswirken.
Bitte beachten Sie: Wenn Sie oder Menschen aus Ihrem Umfeld von Depression betroffen sind, empfehlen wir, Fragen zur Behandlung mit Fachpersonal zu besprechen.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde nicht durch Dritte, zum Beispiel Stiftungen oder Unternehmen, finanziell gefördert oder unterstützt.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.