Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Traditional masculinities and men’s sexism: A meta-analysis zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2023 veröffentlicht. Sie stammt von Vladislav Krivoshchekov und zwei weiteren Forschenden von der Universität Bern und der Wirtschaftshochschule Moskau.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Traditionelle Männlichkeit beschreibt Einstellungen dazu, wie „echte“ Männer sich zu verhalten haben – zum Beispiel stark, unabhängig und dominant. Männer können sich darin unterscheiden, wie stark sie solche Einstellungen haben. Sexismus bedeutet, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt werden. Zum Beispiel respektieren manche Männer Frauen weniger und nehmen sie weniger ernst. Sexismus ist damit ein gesellschaftliches Problem.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Hängt traditionelle Männlichkeit bei Männern mit ihrem Sexismus gegenüber Frauen zusammen?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien zum Zusammenhang zwischen traditioneller Männlichkeit und Sexismus. Die Forschenden interessierte dieser Zusammenhang bei Männern. Die Männer mussten deshalb selbst über ihre Vorstellung von Männlichkeit und ihren Sexismus gegenüber Frauen befragt werden.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 44 Studien aus den Jahren 1984 bis 2021, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Studienergebnisse von 21 078 Männern. Der Großteil der Männer kam aus den USA. Ihr durchschnittliches Alter lag je nach Studie zwischen 14 und 56 Jahren.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 44 Studien schauten die Forschenden, wie traditionelle Männlichkeit mit Sexismus zusammenhing. Sie betrachteten diesen Zusammenhang erst übergreifend für alle Formen des Sexismus und alle Formen der traditionellen Männlichkeit. Anschließend prüften sie, ob sich der Zusammenhang für verschiedene Formen von traditioneller Männlichkeit und Sexismus unterschied.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale wurden untersucht:
-
Traditionelle Männlichkeit
- Zum Beispiel
- Das Bedürfnis selbst dem traditionellen „Idealbild“ eines Manns zu entsprechen und sich von Frauen und homosexuellen Männern abzugrenzen
- Konflikte mit Geschlechterrollen: Wie schlimm oder belastend es ist, wenn Männer nicht traditionellen Geschlechterrollen entsprechen – beispielsweise wenn eine Frau Hauptverdienerin der Familie ist.
- Zum Beispiel
-
Sexismus gegenüber Frauen
- Zum Beispiel
- Altmodischer Sexismus: traditionelle Geschlechterrollen rechtfertigen
- Wohlwollender Sexismus: Positive aber bevormundende Einstellungen gegenüber Frauen haben
- Zum Beispiel
Die Übersichtsarbeit betrachtete auch weitere Formen von Sexismus und traditioneller Männlichkeit, deren Ergebnisse dieser KLARpsy-Text aber nicht im Einzelnen aufgreift: Die Befürwortung traditioneller Männlichkeitsideologien, feindseliger Sexismus und moderner Sexismus.
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Traditionelle Männlichkeit hing insgesamt mit Sexismus zusammen. Je stärker Männer traditionelle Männlichkeit befürworteten, desto mehr Sexismus berichteten sie. Die Korrelation r betrug hier 0.31. Das ist ein mittelgroßer Zusammenhang.
- Die Stärke des Zusammenhangs zwischen traditioneller Männlichkeit und Sexismus unterschied sich je nachdem, welche Form von traditioneller Männlichkeit betrachtet wurde.
- Für das Bedürfnis einem männlichen „Idealbild“ zu entsprechen war der Zusammenhang am stärksten. Die Korrelation r betrug hier 0.39. Das ist ein mittelgroßer Zusammenhang.
- Für die Belastung durch Konflikte mit Geschlechterrollen war der Zusammenhang am schwächsten. Die Korrelation r betrug hier 0.28. Das ist ein kleiner Zusammenhang.
- Die Stärke des Zusammenhangs zwischen traditioneller Männlichkeit und Sexismus unterschied sich je nachdem, welche Form von Sexismus betrachtet wurde.
- Für altmodischen Sexismus – also die Rechtfertigung traditioneller Geschlechterrollen – war der Zusammenhang am stärksten. Die Korrelation r betrug hier 0.37. Das ist ein mittelgroßer Zusammenhang.
- Für wohlwollenden Sexismus – also positive aber bevormundende Einstellungen – war der Zusammenhang am schwächsten. Die Korrelation r betrug hier 0.25. Das ist ein kleiner Zusammenhang.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurden Zusammenhänge zwischen traditioneller Männlichkeit und Sexismus bei Männern beobachtet. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es diese Zusammenhänge gibt. Man kann aber nicht sicher sagen, ob traditionelle Männlichkeit Sexismus verursacht.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden keine Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass die Zusammenhänge zwischen traditioneller Männlichkeit und Sexismus tatsächlich ähnlich groß sind wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Die Größe des Zusammenhangs schwankte stark zwischen den einzelnen Studien. Manche Studien fanden einen größeren, manche einen kleineren Zusammenhang. Das Ergebnis der Metaanalyse ist daher unsicher. Es könnte auch sein, dass Merkmale wie die sexuelle Orientierung von Männern den Zusammenhang zwischen Sexismus und traditioneller Männlichkeit beeinflussen. Das konnten die Forschenden aber nicht in ihrer Metaanalyse untersuchen, weil es zu wenig Forschung dazu gab.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden schließen aus der Übersichtsarbeit, dass traditionelle Männlichkeit und Sexismus miteinander zusammenhängen, aber nicht das Gleiche sind. Um das Problem des Sexismus anzugehen, könnte man aber trotzdem auch bei traditionellen Einstellungen zur Männlichkeit ansetzen. Man sollte traditionelle Männlichkeitsideale hinterfragen und Männer dazu ermutigen, sich weniger davon leiten zu lassen. Jungen oder Männer sollten sich nicht gezwungen fühlen, solchen Ideen von Männlichkeit zu entsprechen.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
In der Übersichtsarbeit können keine Angaben dazu gefunden werden, wie diese finanziert wurde.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden machen keine Angaben dazu, ob bei ihnen ein Interessenkonflikt vorliegt.