Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Menstrual cycle-related changes in HPA axis reactivity to acute psychosocial and physiological stressors – A systematic review and meta-analysis of longitudinal studies zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2023 veröffentlicht. Sie stammt von Hannah Klusmann und fünf weiteren Forschenden von der Universität Berlin und der Universität Potsdam.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Bei Menschen lassen sich viele hormonell bedingte Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen. Dazu gehört, wie Männer und Frauen mit akutem Stress umgehen. Die Befunde hierzu widersprechen sich jedoch. Manchmal zeigen sich Männer anfälliger für Stress, manchmal Frauen. Hormonelle Schwankungen durch den Menstruationszyklus können ein Grund dafür sein.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden:
- Unterscheidet sich die Stärke der Stressreaktion von Frauen zwischen den Zyklusphasen?
- Macht es einen Unterschied, was den Stress ausgelöst hat?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die akute Reaktionen von Frauen auf Stress in verschiedenen Zyklusphasen untersuchten. Sie betrachteten nur Studien, die gesunde Frauen mit natürlicher Menstruation im Alter von 18 bis 45 Jahren untersuchten. Zudem mussten die Studien die Stressreaktion auf denselben Auslöser bei jeder Frau mindestens in zwei Zyklusphasen betrachtet haben. Die Auslöser von Stress mussten entweder eine körperliche oder eine zwischenmenschliche Ursache haben.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden suchten nach Studien, die akute Reaktionen von Frauen auf Stress in verschiedenen Zyklusphasen untersuchten. Sie betrachteten nur Studien, die gesunde Frauen mit natürlicher Menstruation im Alter von 18 bis 45 Jahren untersuchten. Zudem mussten die Studien die Stressreaktion auf denselben Auslöser bei jeder Frau mindestens in zwei Zyklusphasen betrachtet haben. Die Auslöser von Stress mussten entweder eine körperliche oder eine zwischenmenschliche Ursache haben.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 3 Studien schauten die Forschenden, ob sich die Stressreaktion von Frauen in der jeweiligen Zyklusphase unterschied. Zudem schauten die Forschenden, ob der Auslöser der Stressreaktion von Bedeutung war.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Die Forschenden untersuchten folgende Merkmale von Frauen:
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Die Stressreaktion anhand des Stresshormons Cortisol im Blut oder Speichel
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Verschiedener Auslöser von Stress
- körperliche Auslöser: zum Beispiel Überanstrengung durch Sport
- zwischenmenschliche Auslöser: etwa soziale Bewertungssituation wie Bewerbungsgespräche, Prüfungen oder das Halten einer öffentlichen Rede
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Verschiedene Phasen des weiblichen Zyklus
- Eireifung (Follikelphase)
- Phase nach dem Eisprung (Lutealphase)
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Die Forschenden fanden eine stärkere Stressreaktion in der Phase nach dem Eisprung als während der Eireifung. Die standardisierte Mittelwertsdifferenz SMD betrug - 0.43. Das ist ein kleiner Unterschied zwischen den Zyklusphasen. Umgerechnet auf 100 Frauen bedeutet dies: 66 Frauen zeigten während der Eireifung eine schwächere Stressreaktion als der Durchschnitt derjenigen in der Phase nach dem Eisprung.
- In den Studien, in denen der Stress eine körperliche Ursache hatte, war der Unterschied zwischen den Zyklusphasen nicht bedeutsam.
- In der Studie, in der die Stressreaktion eine zwischenmenschliche Ursache hatte, zeigte sich ebenfalls in der Phase nach dem Eisprung eine stärkere Stressreaktion als während der Eireifung. Die standardisierte Mittelwertsdifferenz SMD betrug hier - 0.48. Das ist ein kleiner Unterschied zwischen den Zyklusphasen. Umgerechnet auf 100 Frauen bedeutet dies: 68 Frauen zeigten auf einen zwischenmenschlichen Auslöser während der Eireifung eine geringere Stressreaktion als der Durchschnitt der Frauen in der Phase nach dem Eisprung.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit wurden Unterschiede in der Stressreaktion von Frauen in verschiedenen Zyklusphasen beobachtet. Diese Unterschiede zeigten sich vor allem bei zwischenmenschlichen Stressauslösern. Bei körperlichen Stressauslösern waren sie nicht bedeutsam. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, kann man nicht sicher sagen, dass die Phasen des weiblichen Zyklus die Unterschiede in den Stressreaktionen auch verursacht haben.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden keine Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass die Unterschiede in den Stressreaktionen zwischen den weiblichen Zyklusphasen tatsächlich ähnlich klein sind wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Die Anzahl der eingeschlossenen Studien und Studienteilnehmerinnen war sehr gering. Die Stressreaktion und die Zyklusphasen wurden unterschiedlich gemessen. Andere Faktoren, die die Stressreaktion beeinflussen können wurden nicht weiter berücksichtigt. Dazu gehören zum Beispiel die Gesundheit oder die Uhrzeit der Messung. Die Ergebnisse der Metaanalyse sind daher unsicher.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Bei der Erforschung von Stressreaktionen sind nicht nur Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu berücksichtigen. Auch Schwankungen innerhalb eines Geschlechts sind für das Ausmaß der Stressreaktion bedeutsam. Die weiblichen Zyklusphasen sollten daher mehr Beachtung finden.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Eine an der Übersichtsarbeit beteiligte Autorin wurde durch die Stiftung der Deutschen Wirtschaft finanziert. Das ist eine Stiftung zur Förderung von Bildung und Beruf junger Menschen. Darüber hinaus wurde die Erstellung der Übersichtsarbeit nicht durch Dritte, zum Beispiel Stiftungen oder Unternehmen, finanziell gefördert oder unterstützt.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.