Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel A multimodel meta-analysis assessing moderators of sexual recidivism as an indicator of treatment effectiveness in persons with sexual offense histories zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2023 veröffentlicht. Sie stammt von Lisa Holper und zwei weiteren Forschenden von der Universitätsklinik Zürich und der Fernuniversität Hagen.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Sexuelle Straftaten und der richtige Umgang mit den Tätern stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Politik und Forschung beschäftigen sich intensiv damit, wie man vermeiden kann, dass diese Personen erneut straffällig werden. Therapien sollen Rückfällen entgegenwirken. Trotz umfangreicher Forschung ist aber unklar, ob psychologische Behandlungen tatsächlich erfolgreich Rückfälle verhindern.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Helfen psychologische Behandlungen bei Männern, die sexuelle Straftaten begangen haben, gegen Rückfälle? Wann helfen die Behandlungen besonders gut?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden nutzten die Studien aus einer bestehenden Übersichtsarbeit zu Rückfällen bei Männern, die in der Vergangenheit sexuelle Straftaten begangen hatten. Die Studien mussten eine Gruppe von Tätern, die eine Therapie zur Vermeidung von Rückfällen bekam, mit einer Gruppe von Tätern ohne Behandlung vergleichen.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 35 Studien aus den Jahren 1983 bis 2021, die sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt waren das Ergebnisse von 30 394 Männern, die sexuelle Straftaten begangen haben. Die meisten Studien kamen aus Kanada oder den USA.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 35 Studien schauten die Forschenden, ob die Täter eine Behandlung bekamen oder nicht. Sie verglichen dann, wie oft Täter mit und ohne Behandlung Rückfälle hatten. Zudem untersuchten sie, welche Merkmale der Täter, der Studien oder der Behandlung wichtig dafür waren, ob die Behandlung gegen Rückfalle half.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Die Forschenden untersuchten folgende Merkmale der Täter, der Behandlungen und der Studien:
- Wurden die Männer rückfällig?
- erneute Verurteilungen, Festnahmen oder Anklagen
- Bekamen die Männer eine psychologische Behandlung?
- Merkmale der Männer
- Einstufung des Risikos für Rückfälle vor der Behandlung, Alter der Männer
- Merkmale der Studien und der Behandlungen
- Zum Beispiel: Art und Bedingungen der Behandlung, Alter der Studie, über welchen Zeitraum Rückfälle beobachtet wurden
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
- Insgesamt hatten Täter weniger Rückfälle, wenn sie eine Therapie als Behandlung erhielten. Die Effektstärke Odds Ratio betrug 1.54. Das ist ein kleiner Zusammenhang.
- Das einzige Merkmal, das sich auf das Ausmaß des Erfolgs der Behandlung auswirkte, war das Risiko der Täter vor der Behandlung.
- Die Behandlung half am besten, wenn das Risiko als hoch eingestuft wurde. Die Effektstärke Odds Ratio war 4.71. Das ist ein großer Unterschied in der Häufigkeit von Rückfällen zwischen Tätern mit hohem Risiko mit und ohne Behandlung.
- Die Behandlung half weniger gut, wenn das Risiko als mittel eingestuft wurde. Die Effektstärke Odds Ratio war 1.90. Das ist ein kleiner Unterschied zwischen Tätern mit mittlerem Risiko mit und ohne Behandlung.
- Behandlung half nicht gegen Rückfälle, wenn das Risiko als niedrig eingestuft wurde. Die Häufigkeit von Rückfällen bei Tätern mit niedrigem Risiko unterschied sich nicht bedeutsam, egal ob mit oder ohne Behandlung.
- Alle anderen Merkmale der Studien, der Behandlungen und der Täter hingen nicht bedeutsam damit zusammen, wie gut die Behandlung half. Das betraf zum Beispiel, wie und über welchen Zeitraum die Studien Rückfälle erfassten.
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In der Übersichtsarbeit halfen Behandlungen zur Vermeidung von Rückfällen besser, wenn die behandelten Täter ein großes Risiko für Rückfälle hatten. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, weiß man nur, dass es diesen Zusammenhang gibt. Man kann aber nicht sicher sagen, dass das Risiko auch die Ursache für den Zusammenhang ist.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden keine Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie nehmen deshalb an, dass die gefundenen Unterschiede tatsächlich ähnlich groß sind wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Wie aufwendig die Einstufung des Risikos war, unterschied sich zwischen den berücksichtigten Studien. Zudem betrachteten manche Studien auch männliche Jugendliche, die sexuelle Straftaten begangen hatten. Man weiß aber, dass sich die Hintergründe sexueller Straftaten bei Erwachsenen und Jugendliche unterscheiden und das Rückfallrisiko bei Jugendlichen geringer ist. Vollständige Sicherheit lässt sich in der Erfassung von Rückfällen letztlich nie erreichen, da es immer auch einzelne unerkannte Fälle geben kann.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden schließen Folgendes aus der Übersichtsarbeit: Man sollte bei der Behandlungsplanung vor allem auf das Rückfallrisiko achten und Täter mit hohem Risiko intensiver behandeln, weil sie mehr Hilfe brauchen. Sie merken aber auch an, dass noch umstritten ist, welche praktischen Folgen es hätte, sich in der Behandlung mehr auf Personen mit hoher Risikoeinstufung zu konzentrieren.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde nicht durch Dritte, zum Beispiel Stiftungen oder Unternehmen, finanziell gefördert oder unterstützt.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine Interessenkonflikte bei ihnen vorliegen.