Stottern rechtshändige Menschen weniger?

Worum geht es?

KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Hand Preference in Stuttering: Meta-Analyses zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2024 veröffentlicht. Sie stammt von Marietta Papadatou-Pastou und fünf weiteren Forschenden von der Universität Athen und sieben weiteren Instituten aus Griechenland und Deutschland.

Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?

Hintergrund:

kann sehr belastend sein. Betroffene können nicht flüssig sprechen und wiederholen zum Beispiel ungewollt Wörter. Ob Menschen stottern, scheint mit Besonderheiten in der Entwicklung der beiden Gehirnhälften zusammenzuhängen. Ähnliche Unterschiede in der Entwicklung des Gehirns entscheiden, ob Menschen rechtshändig sind oder eine andere Hand bevorzugen. Es ist aber noch unklar, ob diese und Stottern zusammenhängen. Das liegt auch daran, dass frühere Studien Händigkeit unterschiedlich gemessen haben. Zum Beispiel mussten Personen in vielen Studien zwischen linkshändig und rechtshändig wählen. Manchmal durften sie aber auch angeben, beidhändig zu sein.

Forschungsfrage:

Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden: Unterscheiden sich Personen mit und ohne Stottern in ihrer Händigkeit?

Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?

Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?

Die Forschenden suchten nach Studien, die die bei gleichaltrigen Personen mit und ohne verglichen.

Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?

Die Forschenden fanden insgesamt 52 Studien aus den Jahren 1937 bis 2022, die sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt waren das Ergebnisse von 2590 Personen mit Stottern und 17148 Personen ohne Stottern. Das durchschnittliche Alter der Personen reichte je nach Studie von 4 bis 35 Jahren.

Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?

In den 52 Studien schauten die Forschenden, ob Stottern je nach Händigkeit häufiger auftrat. Sie verglichen die Händigkeit dazu zwischen Personen mit und ohne Stottern.

Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?

Folgende Merkmale untersuchten die Forschenden:

• Händigkeit
  • Ist eine Person linkshändig oder rechtshändig?
  • Ist eine Person linkshändig, rechtshändig oder beidhändig?
  • Ist eine Person eher rechtshändig oder eher linkshändig?
• Stottern
  • Ja oder Nein

Hinweis der KLARpsy-Autor:innen

Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

• Menschen mit waren häufiger linkshändig als gleichaltrige Personen ohne Stottern. Dieser Unterschied war aber nur bedeutsam, wenn sich die Personen zwischen rechts- und linkshändig entscheiden mussten. Das Maß für diesen Unterschied lag bei 1.56. Das ist ein kleiner Unterschied.
• Wenn die Personen angeben konnten, beidhändig zu sein, waren Menschen mit Stottern nicht häufiger beidhändig oder linkshändig als gleichaltrige Personen ohne Stottern. Alle diese Unterschiede waren nicht bedeutsam.
• Dasselbe gilt auch, wenn sie angeben konnten, ob sie eher rechtshändig oder eher linkshändig sind. Auch hier war der Unterschied zwischen Menschen mit und ohne Stottern nicht bedeutsam.

Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?

Was ist die Ursache für die Ergebnisse?

In der Übersichtsarbeit wurden teilweise Unterschiede in der zwischen Menschen mit und ohne beobachtet. Wegen der Art der Studien, die berücksichtigt wurden, kann man aber nicht sagen, dass die Händigkeit das Stottern auch verursacht. Beides könnte eher eine gemeinsame Ursache haben, zum Beispiel genetische Besonderheiten oder Besonderheiten in der Entwicklung des Gehirns. Manche Forschende haben auch vermutet, dass Stottern bei linkshändigen Personen früher erst dadurch ausgelöst wurde, dass sie mit der rechten Hand schreiben mussten.

Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?

• Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
• Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden teilweise Hinweise auf solche Verzerrungen. Sie haben sich bemüht, diese Verzerrungen zu berücksichtigen. Sie nehmen deshalb an, dass Unterschiede im Stottern je nach Händigkeit tatsächlich ähnlich groß sind wie in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.

Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?

Die Forschenden geben zu bedenken, dass die gefundenen Einzelstudien nur Händigkeit erfragten. Wie geschickt die Personen tatsächlich mit den jeweiligen Händen waren, wurde nicht untersucht. Zudem gibt es verschiedene Arten von Beidhändigkeit, die von den Forschenden nicht getrennt wurden. Zum Beispiel kann Beidhändigkeit bedeuten, dass man für bestimmte Tätigkeiten keine Hand bevorzugt oder dass man eine bestimmte Tätigkeit mit der einen Hand macht und eine andere mit der anderen Hand.

Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?

Die Forschenden schließen aus ihren Ergebnissen, dass linkshändig oder beidhändig zu sein, kein großes Risiko für mit sich bringt. Weder in der klinischen Praxis noch im Bildungssystem sollte die einer Person deshalb eine allzu große Rolle spielen. Genauso brauchen sich Eltern von Kindern, die nicht rechtshändig sind, keine Sorgen darüber zu machen. Es gibt keinerlei Grundlage dafür Kinder zur Nutzung der rechten Hand umzuerziehen.

Was ist noch zu beachten?

Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?

Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde nicht durch Dritte, wie Unternehmen oder Stiftungen, finanziell gefördert.

Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?

Die Forschenden berichten, dass keine bei ihnen vorliegen.