Worum geht es?
KLARpsy-Texte bereiten Forschungsergebnisse aus der Psychologie für die Öffentlichkeit auf. Dieser KLARpsy-Text wurde von Mitarbeitenden des Leibniz-Instituts für Psychologie verfasst. Der KLARpsy-Text fasst die Übersichtsarbeit mit dem Titel Prevalence of mental disorders in adult populations from the Global South following exposure to natural hazards: a meta-analysis zusammen. Diese Übersichtsarbeit beinhaltet eine Metaanalyse. Die Übersichtsarbeit wurde 2024 veröffentlicht. Sie stammt von Ahlke Kip und fünf weiteren Forschenden von der Universität Münster und vier weiteren Instituten in Deutschland, den USA und China.
Was war das Ziel der Übersichtsarbeit?
Hintergrund:
Naturkatastrophen nehmen durch den Klimawandel zu. Sie treffen vor allem ärmere Länder des Globalen Südens. Hierzu zählen wirtschaftlich und politisch benachteiligte Länder in Asien, Afrika und Südamerika, also Schwellen- und Entwicklungsländer. Trotzdem untersuchen die meisten Studien psychische Folgen von Naturkatastrophen in reicheren Ländern.
Forschungsfrage:
Mit ihrer Übersichtsarbeit wollten die Forschenden herausfinden:
- Wie viele Menschen sind im Globalen Süden nach Naturkatastrophen von psychischen Störungen betroffen?
- Welche Umstände verringern oder erhöhen das Risiko, nach einer Naturkatastrophe von einer psychischen Störung betroffen zu sein?
Wie sind die Forschenden in der Übersichtsarbeit vorgegangen?
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gesucht?
Die Forschenden suchten nach Studien, die psychische Störungen bei Erwachsenen aus Ländern des Globalen Südens mindestens einen Monat nach einer Naturkatastrophe untersuchten. Die Studien mussten psychische Störungen mit wissenschaftlichen Fragebögen erfassen.
Welche Studien haben die Forschenden für die Übersichtsarbeit gefunden?
Die Forschenden fanden insgesamt 75 Studien aus den Jahren 1994 bis 2023, deren Ergebnisse sie mit einer Metaanalyse zusammenfassen konnten. Insgesamt sind das Ergebnisse von über 82 400 Erwachsenen aus Ländern des Globalen Südens. Die meisten Studien untersuchten die Folgen von Naturkatastrophen in Nepal, Pakistan und Haiti. Keine Studie untersuchte afrikanische Länder.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit gemacht?
In den 75 Studien schauten die Forschenden, wie viele Menschen nach einer Naturkatastrophe verschiedene psychische Störungen hatten. Sie schauten sich dabei auch die Umstände an: zum Beispiel die Art der Naturkatastrophe und ob die Menschen ihr Zuhause verlassen mussten.
Was haben die Forschenden in der Übersichtsarbeit untersucht?
Folgende Merkmale wurden unter anderem untersucht:
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Anteil der Menschen mit einer psychischen Störung nach einer Naturkatastrophe
Traumastörung : Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)-
Depression -
generalisierte Angststörung
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Art der Naturkatastrophe
- zum Beispiel tropischer Sturm, Erdbeben, Flut
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Mussten die Menschen aufgrund der Naturkatastrophe ihr Zuhause verlassen und in Lagern unterkommen?
Hinweis der KLARpsy-Autor:innen
Sollten Ihnen Begriffe in diesem Abschnitt nicht vertraut sein, finden Sie eine Erklärung im KLARsaurus-Wörterbuch.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
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Innerhalb von einem Jahr nach einer Naturkatastrophe hatten im Mittel 26 von 100 Menschen aus dem Globalen Süden eine
Traumastörung . -
Wie viele Menschen von einer Traumastörung betroffen waren, hing von der Art der Naturkatastrophe ab.
- Besonders häufig litten Menschen nach einer Flut an einer Traumastörung: Dann waren durchschnittlich 34 von 100 Menschen betroffen.
- Seltener war eine Traumastörung nach einem tropischen Sturm. Hier waren es im Durchschnitt etwa 10 von 100 Betroffenen.
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Außerdem hatte von den Menschen, die aufgrund der Katastrophe ihr Zuhause verlassen und in Lagern unterkommen mussten, fast die Hälfte eine Traumastörung: nämlich 46 von 100 Menschen.
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Innerhalb eines Jahres nach einer Naturkatastrophe hatten durchschnittlich 22 von 100 Betroffenen aus dem Globalen Süden eine
Depression . -
Im Durchschnitt hatten 16 von 100 Menschen nach einer Naturkatastrophe eine
generalisierte Angststörung .
Wie lassen sich die Ergebnisse bewerten?
Was ist die Ursache für die Ergebnisse?
In dieser Übersichtsarbeit haben die Forschenden die Häufigkeit von psychischen Störungen nach Naturkatastrophen ermittelt. Warum manche Menschen nach solchen schlimmen Ereignissen psychische Probleme entwickeln und andere nicht, war nicht Gegenstand der Übersichtsarbeit.
Sind die Ergebnisse durch eingeschränktes Veröffentlichen von Studien verzerrt?
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Worum geht es? Eindeutige Forschungsergebnisse lassen sich leichter veröffentlichen als uneindeutige Ergebnisse. Das ist für Übersichtsarbeiten problematisch. Sie können unveröffentlichte Ergebnisse nämlich nicht berücksichtigen.
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Was bedeutet das für die vorliegende Übersichtsarbeit? Die Forschenden fanden Hinweise auf solche Verzerrungen bei der
Traumastörung . Sie nehmen deshalb an, dass der Anteil der Betroffenen mit Traumastörungen etwas geringer ist als in ihrer Übersichtsarbeit berechnet.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Die Forschenden geben zu bedenken: Die Ergebnisse der Übersichtsarbeit sind nur eingeschränkt übertragbar, weil nicht alle Länder des Globalen Südens berücksichtigt werden konnten. So fehlen vor allem Studien aus Afrika. Außerdem wurden viele Studien nach Erdbeben gemacht. Andere häufige Naturkatastrophen wie Hitzewellen und Dürren wurden hingegen kaum untersucht. Viele der Studien haben außerdem methodische Schwächen: Sie wurden oft unter Zeitdruck erstellt und bezogen sich meist nur auf stark betroffene Menschen. Das kann die Ergebnisse verzerren.
Welchen Alltagsbezug sehen die Forschenden in der Übersichtsarbeit?
Die Forschenden schließen aus ihrer Übersichtsarbeit: Psychische Störungen nach Naturkatastrophen sind im Globalen Süden häufig. Deshalb benötigen die Länder mehr Unterstützung – etwa durch bessere Gesundheitsangebote und einfache Hilfsangebote vor Ort. Die Forschung sollte sich stärker auf ärmere Länder, besonders in Afrika, konzentrieren.
Was ist noch zu beachten?
Wer hat die Übersichtsarbeit finanziert?
Die Erstellung der Übersichtsarbeit wurde nicht durch Dritte, zum Beispiel Stiftungen oder Unternehmen, finanziell gefördert oder unterstützt.
Berichten die Forschenden in der Übersichtsarbeit eigene Interessenkonflikte?
Die Forschenden berichten, dass keine